Di
21
Jan
2014
Seitdem ich Bombay passiert hatte, war für mich klar gewesen, dass nun Bangalore das endgültige Ziel meiner Tour darstellen sollte. Aus „Berlin-Bombay-by-bike“ war damit „Berlin-Bangalore-by-bike“ geworden. So blieb's bei den 4 "B"'s (sehr wichtig für die mediale Inszenierung! ;-)). Für mich war es dabei wichtig, dann auch tatsächlich mit dem Fahrrad in Bangalore anzukommen und nicht etwa mit dem Bus. Nur so konnte ich die Tour angemessen abrunden und mich innerlich von ihr verabschieden. Von der Küstenstadt Mangalore aus hatte ich zwar den Bus nach Mysore nehmen müssen, da ich nicht die Zeit hatte, die Strecke nach Bangalore komplett mit dem Rad zu bewältigen. Allerdings hatte ich diese Distanz von der Küste bis ins Landesinnere quasi schon weiter nördlich erledigt, als ich von Goa nach Hampi geradelt war. Und von Mysore sind es ja noch 140 km bis nach Bangalore. Insofern sollte ich also rehabilitiert sein. ;-)
Am Vormittag nutzte ich die Gelegenheit, den berühmten Maharadscha-Palast in Mysore zu besichtigen. Auf dem Weg dorthin musste ich reihenweise Rikscha-Fahrer abschütteln, die auf Abzocke aus waren und mir Marihuana andrehen wollten. Wie auch immer, der Palast hatte es echt in sich: Errichtet gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wartet der Bau mit einer verschwenderischen Pracht auf, die ich mit dem Schloss Versailles in Paris vergleichen würde. Vor lauter Staunen blieb ich länger als geplant auf dem Palastgelände hängen, so dass ich erst am Nachmittag um halb 3 herum ich wieder auf dem Sattel saß.
Die finale Etappe meiner Tour stand an, die letzten 140 km, von Mysore nach Bangalore. Ich wählte dazu den Highway. Der ist zwar stark befahren, aber dafür meistens flach, gut ausgebaut und somit leicht und schnell zu bewältigen. Das war jetzt wichtig, denn allzu viel Zeit hatte ich nicht mehr, um nach Bangalore gelangen, da mein Flug nach Deutschland schon in einigen Tagen anstand. Aber ich bereute es nicht, denn obwohl es ein Highway war, gab es viel Leben und Interessantes zu sehen: Palmen und andere tropische Gewächse säumten die Straße. In den Städten herrschte das typische indische Gewimmel aus Menschenmassen, Markständen, Rikschas und Verkehrsgewühl. Die Menschen grüßten mich herzlich und erkundigten sich nach mir und dem Hintergrund meiner Reise, ohne dabei aufdringlich zu sein. Einmal lud mich sogar ein junger Motorradfahrer zu einer Kokosnussmilch ein. Drollig wirkte die kindliche Begeisterung erwachsener Männer, wenn sie mir zuwinkten und „Hi!“ zuriefen und nicht eher Ruhe gaben, bis ich mich ihnen zugewandt und zurückgewunken habe (manchmal sehe ich nicht sofort vom Fahrrad aus, woher die Rufe kommen). Bemerkenswert war auch, wie sich die religiöse Vielfalt und Toleranz Indiens entlang dieser „Mysore-Bangalore-Road“ beobachten ließ, denn neben all den Hindu-Tempeln sah ich auch Kirchen und Moscheen.
Am Morgen des 20. Januar 2014, in einem günstigen Hotel zwischen Mysore und Bangalore: Früh wache ich auf. Ich bin ein bisschen nervös, denn es wird der letzte Tag meiner Fahrradreise sein. Es steht noch ein ordentliches Stückchen Arbeit bis Bangalore an, nämlich über 100 km auf dem Highway. Obendrein ist heute auch noch mein Namenstag. Normalerweise spielt das für mich keine allzu große Rolle, aber in Verbindung mit dem letzten Tag meiner Tour verleiht mein Namenstag dieser Situation irgendwie eine höhere, schicksalhafte Bedeutung. Die Fahrt verläuft indes problemlos. Die Trucks lassen mich am Leben und rammen mich auch nicht mal in ein indisches Krankenhaus. Stattdessen genieße ich ein letztes Mal die oben beschriebenen Eindrücke und die schlichte herrliche Freiheit des Radreisens. Jederzeit kann ich irgendwo anhalten und ein Päuschen machen, einen Schluck Wasser trinken, einen Plausch mit Einheimischen halten, Fotos schießen oder einfach mal anhalten und mich umschauen. Ganz so wie es mir gefällt.
Und dann ist er da, der Moment: Gegen 17 Uhr und nach ziemlich genau 100 km trohnt über dem Highway das große grüne Eingangsschild mit der Aufschrift: „Welcome to Garden City – BANGALORE“. Ich hab's geschafft! Nach über 7200 Fahrradkilometern durch 13 Länder über mehr als fünf Monate hinweg habe ich mein Ziel Bangalore erreicht. Ich steige ab von meinem treuen Drahtesel, der mich die ganze Zeit lang zuverlässig über Stock und Stein getragen hat. Still lächele ich in mich in hinein und genieße den Augenblick. Eine tiefe Freude macht sich in mir breit, über all die unzähligen magischen Momente, die ich auf dieser Reise erleben durfte. Ich betrachte diese Tour als ein Geschenk. Denn während ich die Reise meines Lebens unternehmen konnte, traf ich gleichzeitig viele Menschen, die aus finanziellen oder politischen Gründen nicht die Möglichkeit haben, und vielleicht auch niemals haben werden, solche Freiheiten zu genießen. Ein bisschen Wehmut macht sich bei mir darüber breit, dass dieses freie und abenteuerliche Leben bald zu Ende sein wird. Aber vielmehr freue ich mich darauf, wieder nach Hause zukommen und meine Lieben im heimischen Deutschland wiederzusehen. Und ein bisschen Zeit werde ich ja vorerst noch in Indien verbringen.
Di
21
Jan
2014
Von Hampi aus fuhr ich mit dem Bus zurück nach Goa an die Küste, da mir das Radeln am Strand entlang besser gefallen hatte als im trockenen und landschaftlich eher eintönigen Landesinneren. Zurück in Goa kam ich jedoch schnell ins Schwitzen, denn die Luftfeuchtigkeit ist hier deutlich höher als im Landesinneren.
Von Goa aus radelte ich also den Küstenhighway entlang Richtung Süden nach Gokarna, zum Om Beach, der als ruhiger und entspannter gilt. Die letzten Kilometer dorthin waren indes ziemlich beschwerlich. Es war schon dunkel geworden, als ich zunächst einen steilen Hügel hochasten und dann über eine Schotterpiste wieder herunter holpern musste. Eine Straßenbeleuchtung gab es natürlich nicht. Zum Glück strahlte der Mond sehr hell in dieser Nacht und erleichterte mir die Orientierung.
Normalerweise gilt der Om Beach als sehr idyllisch. Ich war jedoch ausgerechnet während der indischen Neujahrsfeiertage dort. Und so hatten sich Horden von jungen indischen Männern dort versammelt und planschten kreischend im Wasser. Es gibt ja weiß Gott genug anständige Männer in Indien, damit mich keiner falsch versteht. Aber hier im Strand hatten sich genaue diejenigen Jungs eingetroffen, die den schlechten Ruf der indischen Männer verursacht haben. Sobald sich mal weißes weibliches Fleisch, in einem Bikini gewandet, ins Wasser traute, schwappten die Typen wie die Piranhas heran. Und die Mädels, die sich am Strand im Bikini sonnten, nahmen die Jungs mit Weitwinkelobjektiven unter die Lupe.
In Gokarna hatte ich mich mit dem Argentinier Pablo verabredet, den ich in der Woche zuvor in Goa getroffen hatte. Er ist schon seit 16 Monaten mit dem Fahrrad unterwegs und über Westafrika, Europa und den Mittleren Osten nach Indien geradelt. Wir verbrachten einige entspannte Tage am Strand und hingen dabei mit weiteren netten Travellern ab. Nachdem wir genug abgehangen hatten, radelten Pablo und ich gemeinsam auf dem Küstenhighway nach Mangalore. Landschaftlich war die Fahrt nicht sonderlich interessant, da die Straße doch recht weit von der tropischen Küste entfernt ist, von einigen Ausnahmen abgesehen. Zudem herrschte relativ starker Verkehr; immer schienen die TATA-Trucks uns streicheln zu wollen. Aber es war cool, wieder zu zweit zu radeln. Auf halbem Wege trafen wir sogar einen dritten Radler, einen Italiener namens Danilo, der eine Art Berufsabenteurer ist.
In unserer letzten gemeinsamen Nacht gerieten wir dann mitten in den Trubel eines indischen Festivals. Scheinbar findet immer irgendwo in Indien ein Festival statt, denn die waren mir auf dem Weg bis hierhin schon mehrfach untergekommen. Und auch jenes in der Küstenstadt Udupi hatte es in sich: Auf der Suche nach einem Zeltplatz waren wir nämlich in den Stadtpark gelotst worden. "Great place", wie die Einheimischen versicherten. Aber keiner hatte uns gesagt, dass es dort wegen des Festivals die ganze Nacht über von lärmenden Jugendlichen wimmeln würde. Immerhin, sie ließen uns in Ruhe zelten. In Europa hätten mit steigendem Alkoholpegel sicherlich irgendwann ein paar Idioten unsere Zelte flachgelegt. Als allmählich Ruhe einzukehren schien, donnerte freilich um geschlagene 3 Uhr morgens der Lärm von Salutschüssen zu uns herüber. Weiß der Teufel, welcher religiöse Mumpitz diese Uhrzeit vorgeschrieben hatte.
In Mangalore trennten sich unsere Wege wieder. Pablo fuhr weiter Richtung Süden, Danilo blieb in Mangalore und ich nahm den Bus ins östliche Landesinnere nach Mysore, da mein Rückflug nahte und ich nicht genug Zeit hatte, die Strecke komplett mit dem Rad zu bewältigen.
Di
21
Jan
2014
Oh Mensch, Hampi war so toll! Hampi gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe (darunter machen wir's auch nicht mehr) und ist eine riesige Tempelstäte, die vor ungefähr 500 Jahren von was-weiß-ich-für einer Dynastie erbaut worden ist. Die Ruinen sind umgeben von Granitfelsen, auf denen man fantastische Sonnenuntergänge sowie die Aussicht auf das Tal genießen kann. Sie ist an einem idyllischen Fluss gelegen, an denen die Einheimischen sich morgens waschen, was so richtig klischeehafte Indien-Idylle ausstrahlt. Schwimmen ist in dem Fluss allerdings nicht so angesagt, sonst gibt’s Ärger mit den Anliegern, nämlich den Krokodilen.
Die Tempelanlagen selber sind natürlich auch eine Wucht, vor allem im rötlichen Abendlicht. Aber auch tagsüber erfreuten wir uns am Anblick der Reliefs, die vor allem Götter, Tiergestalten und viele barbusige Tänzerinnen zeigen.
Für Tomas und mich war es nach all den Tagen im ländlichen Zentralindien mit den doch zuweilen arg aufdringlichen Bewohnern sehr entspannend, mal wieder auf westliche Traveller treffen. Hier an den Touristenspots merkt man, wie viele Reisende es doch nach Indien zieht, und vor allem, wie viele Langzeitreisende unterwegs sind. Das Land ist einfach so riesig, hat so unglaublich viel zu bieten und ist dabei für westliche Reisende spottbillig. Da kann man es lange aushalten.
Auf die Touristen in Hampi haben sich jedenfalls auch die Tiere hier spezialisiert. Als wir am Morgen am Fluss frühstückten, wurde ich gleich dreimal von Viechern beklaut: Zunächst stibitzte ein streunender Köter mein Croissant aus der Tüte, dann schnappte mir ein Affe einen Keks aus der Hand und schließlich fand ich meine Wasserflasche am Fahrrad geöffnet und ausgeleert vor. Wer dafür wohl verantwortlich ist? Wenn man mal gesehen hat, wie fachmännisch die Affen gestohlene Cola-Flaschen öffnen und leer saufen, kommen jedenfalls nicht die friedlichen Elefanten als erstes für diesen Diebstahl in Frage. Tja, dreimal bestohlen also. „Schlechtes Karma“ würde ein Hindu dazu sagen. „Shanti, Shanti“ entgegne ich dem, und hol mir Ersatzproviant. Ist ja billig hier.
Tomas reiste während meines Aufenthalts in Hampi ab, da er weiter nach Nepal radeln wollte. Wir verabschiedeten uns herzlich voneinander, denn schließlich konnten auf eine tolle gemeinsame Zeit zurückblicken, seitdem wir uns im Iran getroffen hatten. Von nun sollte ich also wieder allein unterwegs sein.
Sa
11
Jan
2014
Nach Goa verließen wir die Küste und machten uns auf den Weg Richtung Osten nach Hampi. Dazu mussten wir zunächst die Gebirgskette der Western Ghats überqueren. Den Anstieg erwischten wir „natürlich“ ausgerechnet zur heißesten Tageszeit, am frühen Nachmittag. Aber die tolle Natur entschädigte uns dafür. Wegen der Höhenlage mutet die Vegetation mit ihren Laubwäldern überraschend mitteleuropäisch an. Weniger europäisch war freilich die Fauna, die hier hauptsächlich in Form von Äffchen herumhüpft. Die kleinen Affen sind in Indien sowas wie die Kaninchen bei uns in Mitteleuropa und überall zu finden.
Als wir die Western Ghats auf der anderen Seite wieder herunterrollten, hatte sich die Vegetation völlig verändert. Während westlich des Gebirges üppige Tropenwälder wuchern, geht es im östlichen Landesinneren viel karger zu. Es gibt also kaum Schatten oder Wind, die Schutz vor der Hitze gespendet hätten.
Auch die Armut ist in dieser Gegend scheinbar größer als an der Küste, denn die Bettelei nahm zu. Scheinbar besteht halb Indien aus Münzsammlern, denn ständig wurden wir um "Coins", also Münzen, aus unseren Ländern gebeten. Wahlweise auch um Kugelschreiber, Schokolade (von Kindern) oder auch ganz schnöde um Money.
Wegen der Hitze und da es kaum Schatten gab, mussten wir unsere Pausen an den schattigen Unterständen in den Dörfern abhalten. Und bekamen dabei die volle Ladung Indien zu spüren: Überall wo wir hinkamen, wurden wir bestaunt wie Außerirdische. Unsere Fahrräder starrten die Leute entsprechend an wie Raumschiffe und sie wollten immer den Preis des Fahrrades wissen (Meine Standard-Antwort: "I don't know, it was a present.") Das hatten wir zwar schon seit dem Balkan so erlebt. Aber bis Indien ist die Aufmerksamkeit kontinuierlich penetranter geworden. Besonders toll fanden die Herrschaften die Fahrradklingel und die Gangschaltung. Zum Glück habe ich keine Klingel am Fahrrad, sonst hätten sie unentwegt damit herumgespielt, wie bei Tomas. Wobei, dann hätten sie wenigstens die Finger von meiner empfindlichen Gangschaltung gelassen... Auf jeden Fall geht den Indern in diesen ländlichen Gegenden jeglicher Sinn für Privatsphäre und Eigentum ab. Wie gesagt, das hatte ich auch schon vorher, vor allem im Mittleren Osten erlebt. Aber die Inder legen da noch mal eine Schüppe drauf. Man kann direkt beim Fahrrad stehen, aber sie spielen ungefragt mit dem Fahrrad herum. Und sie sind Weltmeister im Glotzen. Wenn wir mal eine Panne reparieren mussten, sieht das Verhaltensmuster des vorbeilaufenden Inders so aus: Sich langsam nähern, Stirnrunzeln, und schließlich dicht herantreten und glotzen. Das alles in völligem Schweigen.
Und natürlich fragt uns jeder "What's your name?" oder "Where are you from?". Auf Dauer nervt es irgendwie, ständig seine Identität preiszugeben. Mir dämmert mittlerweile, was Berühmtsein und der Verlust von Privatsphäre bedeuten können. Wir aber machten uns aus all diesen Nachfragen einen Spaß draus und gaben andere Identitäten an. Ich zum Beispiel stellte mich als "Alex from Holland" vor, natürlich mit holländischem Akzent, lobte aber trotzdem dabei die deutsche Fußballnationalmannschaft über den Klee ;--)
Na ja, tut nicht weh, und ich sage das alles größtenteils wertfrei. Andere Länder, andere Sitten...
Nach etlichen surreal anmutenden Erlebnissen dieser Art erreichten wir schließlich die Tempelruinen von Hampi, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.
Fr
10
Jan
2014
Am Strand von Goa war für Tomas und mich hauptsächlich Entspannung angesagt. Die Palmenstrände von Goa zogen in den sechziger und siebziger Jahren vor allem die Hippies an. Später machten sich dort die Techno Raver breit, die mit dem psychedelisch angehauchten Goa Trance sogar ein eigenes Techno-Genre begründeten. Seit einiger Zeit hat der Pauschaltourismus Goa erobert, insbesondere in Form von Legionen von russischen Touristen. Immer mit dabei waren jedenfalls New Age-Anhänger sowie natürlich die „normalen“ Traveller. Am Strand Arambol, an dem wir unser Quartier bezogen, findet man von allem ein bisschen.
Auf jeden Fall kann man dort einfach mal abhängen, gutes günstiges Essen genießen und sich Abends die Leute anschauen, die zu Bongo-Trommeln im Sand herumtanzen. Die einst so bekannten Silvester-Parties waren freilich öde. Interessanterweise waren auf den Tanzflächen fast nur indische Männer auszumachen. Also nichts gegen die indischen Männer, aber warum lassen die ihre Frauen zuhause? Ist doch total eintönig so. Scheinbar aber müssen die heimischen Damen den Dance Floors fern bleiben, selbst bei den modernen und wohlhabenderen Familien, und dürfen allenfalls die Picknick-Decken bewachen.
Wie auch immer: Happy new Year!
Mo
30
Dez
2013
Der Moloch Bombay liegt auf einigen Inseln und Halbinseln, die wir mit einer kleinen Fähre (Typ „Nussschale“) zum südlichen Festland hinter uns ließen. Auf der anderen Uferseite hieß es dann „Welcome to the jungle!“, denn ein dichter subtropischer Wald tat sich vor uns zum Auftakt unserer ersten Etappe in Indien auf. Wir wollten Richtung Süden, nach Goa, dem legendären Strand der Hippies und Traveller.
Der Weg führte über 600 km auf einer kleinen Straße am Strand entlang. Solch eine Länge lässt sich normalerweise in ungefähr einer Woche schaffen. Nicht so in Indien: Fast zehn Tage brauchten wir für das Stück, denn die Straßen waren teilweise in erbärmlichem Zustand. Dass es oft sehr bergig war, war ja noch akzeptabel, aber wenn man die Anstiege auf Rumpel- und Schotterstrecken erklimmen muss, kann das ganz schön schweißtreibend werden. Überraschend war zudem, wie wenig Englischkenntnisse in dieser ehemaligen britischen Kolonie verbreitet sind: Die Beschilderung war durchweg auf Hindi (und nicht etwa zusätzlich auf englisch, wie im Iran oder Irak) und auch von den Leuten sprachen es relativ wenige.
Nichtsdestotrotz waren Tomas und ich uns einig, dass Indien auf dem Land viel schöner und entspannter ist als in der Stadt. Schon bei der Ankunft mit der Fähre fiel uns die Stille auf, die wir seit Bombay nicht mehr gewohnt waren. Die Leute grüßen freundlich und sprechen uns interessiert an. Bettler gibt es kaum. Zwar regnete es nicht so viele Einladungen zum Übernachten wie bei den Iranern oder Kurden, was natürlich beileibe keine Kritik sein soll (das macht in Mitteleuropa ja auch keiner). Aber immerhin wurden wir einmal völlig spontan von einer Hochzeitsgesellschaft eingeladen. Wir wussten gar nicht, wie uns geschah, sondern wurden förmlich hineingezogen und bekamen leckeres Essen vorgesetzt. In kulinarischer Hinsicht sollte ich in diesen Breiten eine verstörende Erfahrung machen: Ich mag vegetarisches Essen! Über eine Woche lang konnten wir in diesen Breiten kein fleischliches Essen auftreiben, weil das hier nicht so üblich ist. Es wird stattdessen viel mit Curry-Dips, Reis, Kartoffeln und ähnlichem gearbeitet. Aber oh Wunder, es schmeckte uns und wir wurden auch noch satt davon! Wirklich sehr verstörend...
Wer die westlichen Klischees vom verklärten Indien sehen will, der kriegt sie hier jedenfalls: Überall die unvermeidbaren Kühe (ob als Lasttiere oder als Fußgänger auf der Straße), Schüler in britischen Uniformen oder junge Frauen bei der Wäsche an Flüssen sowie Palmenwälder, Languren-Affen, Tuk-Tuk-Taxis etc. Und vor allem natürlich: Frauen in bunten Saris, die jegliche Art von Lasten auf dem Kopf tragen, seien es Berge von Reisig, Wasserkrüge oder Kuhfladen, akkurat auf Brettern aufgehäuft. Warum man das alles auf dem Kopf tragen muss, hat sich mir nicht so recht erschlossen. Offenbar scheren die Inder sich nicht um neumodische Erfindungen wie das Rad. Nur selten hab ich mal eine Schubkarre oder einen Bollerwagen gesehen - und wenn doch, wurden die die Vehikel von Männern geschoben. Die schwere Arbeit wird leider hauptsächlich auf den Köpfen der Frauen abgeladen.
Bei aller ländlichen Idylle erfuhren wir aber auch die, freundlich ausgedrückt, „konservativen“ Moralvorstellungen, die auf dem Land herrschen. Wenn die Mädchen jung sind, sind sie noch unbeschwert und winken uns lachend zu. Doch ab dem heiratsfähigen Alter ist es für die meisten von ihnen mit der Unbeschwertheit vorbei. Oft es ist nicht möglich, eine Frau ab dem heiratsfähigen Alter nach dem Weg zu fragen, denn sie wendet sich von vornherein von uns fremden Männern ab. Als wir an einem Abend zum Essen eingeladen wurden, mussten die Frauen im Hintergrund das Essen zubereiten, setzten sich aber nicht zu uns an den Tisch und vermieden jeglichen Blickkontakt mit uns. Die Vergewaltigungsfälle in Indien, von denen in jüngerer Zeit so oft berichtet wird, werden Medien zufolge vor allem von Männern vom Land verübt, die solche Moralvorstellungen gewohnt sind und die dann in der Stadt auf moderne Frauen treffen, die einen freieren Lebensstil pflegen.
Zu Weihnachten gönnten wir uns ein Zimmer in einem Gasthaus mit Internetanschluss, damit wir mit unseren Lieben zu Hause skypen konnten. Das Gasthaus war nicht weit vom Strand entfernt, so dass wir tagsüber im Meer schwimmen konnten. Hat man ja auch nicht alle Tage zu Heiligabend. Ansonsten aber übernachteten wir meist im Zelt, irgendwo im Busch oder am Strand. So konnten wir jeden Abend die Sternschnuppen zählen und uns bei einem kleinen Feuer Geschichten erzählen, wie sie wohl nur die Radler erleben.
Nach knapp zehn Tagen erreichten wir schließlich Goa und erholten uns für einige Tage von den Strapazen der vergangenen Tage.
Di
24
Dez
2013
BOMBAY! Mein Zielort! Eigentlich. Ursprünglich hatte ich von Dubai in den Norden Indiens fliegen wollen, um von dort aus nach Bombay zu radeln. „Berlin-Bombay by bike“, halt. Aber aus mehreren Gründen änderte ich meinen Plan. Zum einen erschien es mir cool, an Weihnachten und Silvester in Goa zu sein, auf dieser legendären alternativen Beach Community südlich von Bombay. Und zum anderen wollte Tomas, mein neuer slowakischer Reisepartner, von dort aus nach Nepal vorstoßen. Um also zur Abwechslung 'mal Gesellschaft unterwegs zu haben, entschied ich mich dazu, direkt nach Bombay zu fliegen und von dort aus mit Tomas Richtung Goa zu radeln und danach weiterzusehen.
Gesagt, getan. Am Flughafen in Dubai gab es ein bisschen Hick-Hack um mein Übergepäck, aber letztlich
musste ich bei weitem nicht so viel drauf zahlen, wie es die Richtlinien dieser indischen Fluglinie (Jet Airways) vorgeschrieben hätten, da das Flugzeug Verspätung hatte. In Bombay quartierten Tomas und ich uns in schließlich einem billigen Gasthaus in Hafennähe ein.
Bombay erfüllte zuverlässig die gängigen Indien-Klischees: Koloniale Bauten aus der britischen Ära, chaotischer Verkehr, inklusive Kühen auf den Straßen, Frauen in bunten Saris und vor allem ein krasser Gegensatz zwischen Arm und Reich: Direkt neben dem luxuriösen Hotel Taj Mahal, einer Stätte der Reichen quasi, führen die Ärmsten der Armen ein Leben in unvorstellbarer Armut: Sie leben und schlafen auf der Straße, bereiten hier ihre zusammengebettelten Mahlzeiten zu, stillen ihre Babys und sie – pardon – kacken auf die Straße (zumindest an den Rändern der Slums). Ihren Lebensunterhalt bestreiten diese Menschen durch Betteln, wozu sie vorzugsweise ihre Kinder vorschicken. Aber wie sicherlich jeder weiß, tut man den Kindern einen größeren Gefallen damit, ihnen nichts zu geben, damit die Eltern eine bessere Verwendung für sie finden (wobei ich auch nicht weiß, was sie alternativ mit den Kindern machen würden). In den Slums dagegen, die wir mit einem lokalen Führer besichtigten, ist es zwar natürlich auch total verranzt, aber es sieht so aus, als gelänge es den die Menschen dort, sich ihren Lebensunterhalt durch richtiges Arbeiten zu verdienen. Sie betreiben dort zum Beispiel kleine Shops, gehen Handwerkstätigkeiten nach oder sie sammeln Müll zum Recyceln. Betteln ist hier kaum angesagt, denn es gibt ja nichts was zu holen.
Und noch ein Indien-Klischee: Bollywood: Wir wurden von Casting Scouts auf der Straße gefragt, ob wir nicht als Statisten in einem Film mitspielen wollten. Klar doch, machen wir gerne, erst recht für die „üppige“ Gage von 500 Rupien (ca. 8 EURO) für zwölf Stunden Arbeit. Dazu wurden wir gemeinsam mit anderen westlichen Reisenden per Bus an einen Strand gekarrt, um dort für eine Disko-Szene im Hintergrund herumzutanzen. Kulturelle Unterschiede und Rassendiskriminierung gab es mit dazu: Die russischen Tänzerinnen waren deutlich freizügiger gekleidet als die eher hochgeschlossenen Inderinnen und die thailändischen Statisten wurden hinter die westlichen geschoben. Der Film entpuppte sich jedenfalls als billiger Action-Film mit dem cleveren Titel „Bang Bang Bang Off“. Das Filmset wirkte reichlich unorganisiert und es war ermüdend, die ganze Nacht hindurch, immer und immer, wieder die gleiche Szene zu proben. Aber so hat man das auch mal mitgenommen.
Di
24
Dez
2013
Dubai war auf meiner Tour eine Transitstation, um vom Iran nach Indien zu kommen. Die Zeit dort nutzte ich somit vor allem, um den Flug nach Indien zu organisieren sowie um einige Ersatzteile für das Fahrrad zu besorgen.
Übernachten konnte ich bei meinem Couchsurfing-Host Mark, ein freundlicher und lockerer Fillipino, der bei einem großen Konzern im Controlling arbeitet. In seiner Wohnung gaben sich die Couchsurfing-Gäste quasi die Klinke in die Hand, es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, so dass es definitiv nicht langweilig wurde.
Mir persönlich erschien Dubai wie eine Art modernes Babylon oder Atlantis: Eine unermesslich reiche Stadt mit gigantischen Wolkenkratzern, lachhaft aufwendigen Hotelkomplexen, dekadentem Kitsch (Schneeschlösschen in der Mega-Shopping-Mall), dicken Autos und Luxus ohne Ende. All dem setzt das höchste Gebäude der Welt die Krone auf, das „Burj Khallifa“, welches möglicherweise nicht umsonst an Darstellungen vom Turm zu Babel erinnert.
Einen Großteil der Kosten in Form von Überstunden und Unterbezahlung müssen freilich die Legionen an süd- und südostasiatischen Gastarbeitern zahlen. Sie prägen das öffentliche Bild.und lassen eher an eine Stadt irgendwo zwischen Indien und den Philippen denken als an den Mittleren Osten, trotz der Einheimischen, die in weißen Scheichkostümen (die Männer) oder in schwarzen Tschadors (die Frauen) herumlaufen.
Di
24
Dez
2013
Nachdem ich von meinem Inseltrip auf Qeshm zurück aufs Festland in Bandar Abbas gekehrt war, wartete ich eigentlich nur noch auf die Fähre vom Iran nach Dubai. Aber das zog sich hin, da die Fähren wegen zu starker Winde mehrfach gecancelt wurden. Als ich eines Morgens wieder einmal vom Hafen zurück in die Stadt fuhr, da zuvor erneut die Fähre gecancelt war, fuhr ein junger Slowake namens Tomas an mir vorbei. Er saß auf dem Rücksitz eines Motorrads und bat mich anzuhalten. Tomas entpuppte sich ebenfalls als Fernradler und genau wie ich war er gerade vergeblich vom Hafen zurückgekehrt. Er schlug vor, dass wir uns gemeinsam um einen Flug nach Dubai kümmerten, wegen der unzuverlässigen Fähren.
Bei der Organisierung des Fluges halfen uns Tomas' iranischer Gastgeber Hadi und dessen Freunde enorm weiter. Die Jungs waren selber begeisterte Radfahrer (Mountainbiker) und hatten sogar einen Club namens „Yam Yam“ gegründet. Die Jungs waren einfach super. Ohne sie wäre es weitaus komplizierter gewesen, überhaupt ein Ticket zu erstehen und dann auch noch den Transport des Rades zu organisieren, denn das Personal spricht kaum englisch. Abends lud die Yam-Yam-Gang uns sogar zu einem Lagerfeuer in den Bergen ein. Wir hatten Spaß ohne Ende mit den Jungs!
Da der Flug nach Dubai erst am Abend stattfand, hatte ich mich dazu entschieden, einen kleinen Radausflug auf die Insel Hormus zu machen. Hätte ich freilich geahnt, dass die Insel größtenteils aus Offroad-Strecken besteht, hätte ich das sein gelassen. „Dank“ der schlechten Pisten musste ich geschlagene fünf (!) Platten im Vorderreifen reparieren. Zum Glück aber erreichten wir die Fähre zum Festland noch rechtzeitig, um in Ruhe zum Flughafen fahren zu können.
Damit war das Kapitel „Iran“ geschlossen.
So
08
Dez
2013
Die Insel Qeschm liegt vor der iranischen Südküste und bildet die größte Insel im persischen Golf. Größtenteils besteht sie aus Wüste. Dromedare sind hier alltäglich. Die Bevölkerung ist noch sehr stark in dem traditionellen Schiffbau engagiert.
Drei Tage lang radelte ich um die Osthälfte der Insel. Einmal campte ich direkt am Meer, ein anderes Mal im Gebüsch, da ich nicht wusste, ob ich mich nicht zufällig gerade in einem Militärgebiet befand. Große Teile der Südküste stellen nämlich Militärzonen dar und nicht immer war mir klar, ob das gerade der Fall war oder nicht. Als ich dann im Zelt lag, hörte ich plötzlich Schüsse. Ich konnte nicht genau verorten, wie weit weg sie waren, woher sie kamen und wohin sie gerichtet waren. Möglicherweise machten die Soldaten gerade irgendwelche Schießübungen. Um nicht versehentlich ins Eifer des Gefechts zu geraten, legte ich mich flach ins Zelt hin und verbarrikadierte mich hinter meinen Packtaschen. Zum Glück hörten die Schüsse nach einiger Zeit auf und nur irgendwelche Füchse störten gelegentlich meine Nachtruhe mit ihrem Gekrächze.
An eingen Stellen auf der Insel hat die iranische Regierung Beach-Resorts aufgebaut. Man will wohl ein bisschen Dubai nacheifern. Aber solange an den Stränden nach Geschlechtern getrennt wird und ein strenger Dress-Code herrscht, kann sich der Iran diese schönen Pläne abschminken. Ich selber fühlte mich buchstäblich von diesem Mullah-Regime und seinen sinnlos strengen Sitten eingeengt, weil es im Iran verpönt ist, in der Öffentlichkeit kurze Hosen zu tragen. Es gibt weiß Gott angenehmeres als bei diesem warmen schwülen Wetter mit langen Hosen zu radeln, aber sei's drum, ich hab's überlebt...
Schön war es jedenfalls, durch die Weiten der Wüste oder am Meer entlang zu radeln und zwischendurch mal einigen Dromedaren "Guten Tag!" zu sagen. Interessant waren mal wieder die Begegnungen mit den Menschen hier, seien es pakistanische Gastarbeiter oder junge Iraner, die in Öko-Projekten engagiert waren.
Sa
07
Dez
2013
Endlich geht es zurück auf die Straße! Zehn Tage lang hatte ich das Fahrrad stehen gelassen, und zwar einerseits wegen des winterlichen Wetters in den Bergen und andererseits wegen der Städtebesichtigungen. Morteza, mein Couchsurfing-Host in Shiraz, gibt mir noch einige gute Routen-Tipps, bevor ich dann endlich wieder auf dem Fahrrad sitze und Kurs auf die Golfküste nehme. Die zehn radelfreien Tage waren zwar schön, aber wenn man auf einer langen Fahrradreise ist, dann fehlt einem irgendwann etwas ohne das Fahrradfahren. Das habe ich auch von anderen Fernradlern so gehört. Es dürstet einen dann nach neuen Abenteuern und der Freiheit on the road.
Und genau so kommt es auf diesem rund einwöchigen Streckenabschnitt im südlichen Iran: Das Wetter ist angenehm warm und sonnig und die Strecke ist mit wenigen Ausnahmen nicht allzu bergig. So rollt es sich wunderbar Richtung Süden. An den ersten beiden Abenden übernachte ich in Hotels, die hier sehr billig sind. 10 bis 15 EURO bezahle ich pro Nacht in Hotels, die ungefähr Zwei-Sterne-Hotels in Deutschland entsprechen. Danach gibt es keine Hotels auf dieser Strecke mehr. Einmal zelte ich abseits der Straße in der Wüste und kann dabei unter dem Sternenhimmel die Sternschnuppen zählen. Ein anderes Mal darf ich einer Moschee, tags darauf in einem Restaurant übernachten. Erneut werde ich zwischenzeitlich von einer Familie zur Übernachtung im Hause eingeladen.
Ebenso schön sind die Erlebnisse entlang des Weges. Immer wieder verlangsamen die vorbeifahrenden Autos und Motorradfahrer ihr Tempo und fragen mich freundlich und lachend, woher ich käme und wohin ich wolle (okay, auf Dauer kann das auch nerven). Familien steigen spontan aus ihren Autos aus und bringen mir Orangen und Äpfel. Auch Obsthändler stecken mir einfach so ihre Erzeugnisse zu und akzeptieren ums Verrecken keine Bezahlung dafür. Als ich einen platten Reifen habe und diesen an einer Raststätte beheben will, kommen LKW-Fahrer und Kinder hinzu, um mir bei der Reparatur zu helfen.
In mehrerlei Hinsicht kündigt sich die nahende Golfregion an: Das Wetter wird heißer, der Wind ist nicht mehr frisch, sondern mild bis fön-artig. Es sind zunehmend Menschen mit dunklerer Hautfarbe zu sehen, da die Golfregion über Jahrhunderte arabische und indische Handelskontakte unterhielt. Dementsprechend tragen die Frauen nicht mehr die eintönigen schwarzen Tschadors, sondern Sari-artige bunte Umhänge, die freilich in der iranischen Version die Haare bedecken.
Die letzte Tagesetappe dieser Strecke wird die bislang längste meiner Tour: Am Ende des Tages stehen in Bandar Abbas 156 km auf dem Tacho. Aber auch hier wird mir ein toller Empfang geboten: Eine coole Clique, bestehend aus vier Medizinstudenten, hält neben mir ihr Auto an und will mich zu einem Drink einladen. Das verschieben wir freilich wegen dieser späten Stunde (Mitternacht) und meines erschöpften Zustandes auf den darauffolgenden Tag.
Di
26
Nov
2013
Abermals reise ich nicht etwa per Fahrrad, sondern mit dem Bus weiter durch den Iran. Berlin-Bombay by BUS, könnte man unken. Der Grund dafür, dass ich nicht mit dem Fahrrad reise, ist einerseits schlichtweg das Mistwetter. Der Iran ist größtenteils sehr hoch gelegen. Konsequenz: Im Spätherbst ist es nicht viel wärmer als bei uns. In den Bergen sinkt das Thermometer sogar auf unter Null. Außerdem läuft mein Indien-Visum Ende Januar aus, so dass ich meine Tour nicht nach hinten verlängern kann und will.
In Shiraz habe ich mir wieder über Couchsurfing eine Bleibe organisert. Im Iran ist das freilich gar nicht unbedingt notwendig, denn auf allen drei Überlandbusfahrten, die ich hier unternommen habe, hat mir immer irgendein Iraner eine Übernachtung in seinem Haus angeboten. Wie die meisten Menschen im Mittleren Osten sind sie viel Gesellschaft gewohnt, so dass es für sie nichts ungewöhnliches ist, Gäste zu beherbergen.
In Shiraz habe ich mir nichtsdestotrotz einen hervorragenden Couchsurfing-Host organisert: Morteza kommt gebürtig aus Täbris, also aus dem aserbaidschanischen Nordosten Irans. Als Zoologe ist er schon durch den gesamten Iran gereist und kann mir deshalb sehr hilfreiche Reisetipps geben. Zudem lässt er mich an seinem breiten Wissen über die Geschichte, Kultur und Landesnatur des Irans teilhaben. Der Iran, so erklärt er mir, sei vielfältig wie ein Kontinent, was Klimazonen, Ethnizitäten sowie Flora und Fauna betreffe. So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Ich hatte das Land eher für eine riesige Steinwüste gehalten. Aber er hat ja recht, wenn man allein bedenkt, wie viele verschiedene Völker im Iran existieren: Nicht nur Perser, sondern auch Kurden, Azeris, Araber, Türken, Beluchis und wer weiß was sonst noch. Das ethnische Bewusstsein ist jedenfalls stark bei den Iranern ausgeprägt. Häufig haben sie mir gegenüber stolz ihre „arische“ Herkunft betont. Die „Arier“ haben im Iran keinen negativen Beigeschmack wie bei uns Deutschen. Bedauerlich ist, wie wenig viele Iraner über Hitler wissen. Nicht weniger bekunden mir gegenüber, Hitler zu mögen, weil er etwa die Russen attackiert habe. Sie sagen das freilich, weil sie schlichtweg keine Ahnung vom Holocaust haben. Einige wollen mich allerdings bloß spaßeshalber ärgern. Ich kontere dann mit dem Hinweis auf Khamenei. Da hört der Spaß für sie dann doch auf.
Für die Sehenswürdigkeiten in Shiraz nehme ich mir einen Tag Zeit. In einem anderen Blog wurde Shiraz mal als das „Weimar des Iran“ genannt, denn hier stehen die Mausoleen der größten persischen Dichter. Vor allem das Grab Hafez, der schon Goethe inspirierte, ist eine Kultstätte für die Iraner.
Tags darauf mache ich einen Tagesauflug nach Persepolis, die zweieinhalbtausendjährige Stätte des antiken persischen Weltreiches. Herrscher wie Xerxes (der aus „300“) oder Kyros I. und Darius hatten hier residiert. Auch Alexander der Große hatte auf seinem Eroberungsfeldzug mal 'reingeschaut und die Stadt abfackeln lassen – als „Dankeschön“ an Xerxes für die Zerstörung Athens. Nicht viel bessere Gäste stellten die Araber über 1000 Jahre später dar, während ihrer Islamisierungskriege. Etliche weitere Jahrhunderte strahlt Persepolis allen Zerstörungen zum Trotz dennoch nach wie vor etwas Majestätisches aus. Vor allem die unglaublich gut erhaltenen prächtigen Reliefs lösen bei mir wieder den „Wow“-Effekt aus.
Sa
23
Nov
2013
Als ich abends am Bus Terminal in Esfahan ankomme, holt mich mein Couchsurfing-Host Javad ab, ein lässiger 25-jähriger Typ, der weiß, wie man im Iran Spaß haben kann. Javad ist wohl der erfahrenste Couchsurfer, den ich je kennengelernt habe. In den vergangenen acht Jahren nahm er geschätzte 1000 Couchsurfer auf, die oft zu mehreren in seinem gemütlichen und großen Keller übernachten. Ich jedoch habe den Kellerraum wegen der spätherbstlichen Jahreszeit weitgehend für mich allein. Abends kommen Freunde von Javad vorbei, zum Backgammon oder auch um Songs auf der Gitarre zu spielen.
Esfahan jedenfalls gilt als das Meisterwerk Persiens. Diesen Status hat die Stadt vor allem ihren Moscheen mit den prächtigen blauen Mosaiken zu verdanken. Gelegentlich kommt es bei mir vor, dass mich bestimmte Sehenswürdigkeiten wegen ihrer schieren Pracht zu einem staunenden „Boah ey...“ bewegen. Die Moscheen Esfahans auf dem Imam-Platz gehören dazu. Die Mosaiken sind für sich genommen bereits einzelne wunderschöne Kunstwerke. Die Moscheen Esfahans jedoch bestehen aus Tausenden dieser Kunstwerke, welche zusammen ein gewaltiges wunderschönes Ganze ergeben, das aber nicht etwa erschlagend wirkt, sondern jederzeit kunstvoll und harmonisch.
Mindestens genauso interessant sind die menschlichen Zeugen dieser Tage. Im Gegensatz zu Hamadan wirkt Esfahan deutlich liberaler. Schwarze Tschadors tragen die Frauen zwar auch hier, aber viele andere Frauen tragen buntere Klamotten und die Kopftücher geben viel von ihrer „sündigen“ Haarpracht frei. Überhaupt, die Frauen des liberalen Irans: Es ist schon verdammt krass, wie viele junge Iranerinnen Nasenpflaster tragen. Die jungen Frauen sind offenbar nicht zufrieden mit ihren natürlich persischen Nasen und lasse sich jene gerne im Rahmen eines „nose jobs“, also einer Nasen-OP, richten. Als blonder Westeuropäer werden einem von den Mädchen reihenweise feurige Blicke zugeworfen oder „Hi, I like you!“ herüber gerufen. Soweit sie in Begleitung ihrer Mütter sind, werden die Mädchen sogar von ihnen ermutigt, diesen Ausländer anzusprechen und ein gemeinsames Foto mit ihm zu machen. Oft werden sogar Einladungen zum häuslichen Mittag- oder Abendessen mit ihren Familien an mich herangetragen.
Erstaunlicherweise scheint also selbst eine Touristenstadt wie Esfahan unter einem Mangel an westlichen Ausländern zu leiden. Das erkenne ich auch daran, dass ich kaum eine Minute irgendwo in der Stadt stehen kann, ohne dass nicht irgendein Iraner auf mich zukommt und mit mir ein längeres Gespräch führen möchte (soweit seine Englischkenntnisse das zulassen), meistens über das umstrittene Bild des Irans in der Welt. Durch ihre herzliche Offenheit jedoch sowie ihre Gastfreundlichkeit konterkarieren die Iraner ihr negatives Image problemlos. Es zeigt doch, dass Reisen für beide Seiten von Vorteil sein kann: Ich als Westeuropäer erkenne, wie verzerrend und falsch westliche Medien über die Iraner berichten, während die Iraner durch die Begegnung mit westlichen Ausländern ihr negatives Image gerade rücken können und ein wenig mehr über die Welt erfahren. Letzeres ist für die Iraner besonders wichtig, denn sie können nur wenig reisen, da ihnen kaum ein Land Touristenvisa gewährt. Ein junger Mann etwa beschrieb sein Heimatland Iran als „Käfig“.
Mi
20
Nov
2013
Deutsch
Der Iran hat ja merkwürdigerweise einen nur unwesentlich besseren Ruf als der Irak, obwohl im Iran gar kein Krieg tobt und relativ stabile Verhältnisse herrschen, was die Sicherheitslage betrifft.
In den Grenzgebieten des Irans und weiter östlich ist es jedenfalls zur Nachtzeit und in den Dämmerstunden verdammt frostig. Da macht das radwandern keinen Spaß mehr. Deshalb stoße ich per Bus tief ins Landesinnere nach Esfahan vor. Am Busterminal werde ich gleich mal von einem jungen netten Iraner namens Behruoz ("Bey") angesprochen, der auf dem Weg in seine Heimatstadt Hamadan ist und mich spontan dahin einlädt (er ist ohnehin aktiver Couchsurfer). Da Hamadan auf dem Weg nach Esfahan liegt, nehme ich seine Einladung gerne an.
Während der Busfahrt werde ich bei einer Militärkontrolle dann gleich mal für ein paar Minuten in eine Art Zelle gesteckt, weil einem dicklichen Soldaten mein Pfefferspray nicht gefällt. Willkommen im Iran! Sein Kollege ist jedoch weitaus weniger kleinlich und viel freundlicher, so dass ich schnell wieder in den Bus zurück kann.
Spät kommen wir in Hamadan an. Es ist bitterkalt, denn die Stadt ist immer noch relativ hoch gelegen.
Tags darauf zeigt Bey mir seine Lieblingsplätze und Sehenswürdigkeiten der Stadt. Dazu cruisen wir abwechselnd auf seinem Motorrad und seinem Auto durch die Gegend, so dass ich "endlich" mal den chaotisch-orientalischen guerilla-artigen Fahrstil von der Beifahrerseite aus mitbekomme.
Am darauffolgenden Tag drängen mich Beys Verwandte förmlich dazu, die Ali-Sadre-Höhlen nördlich von Hamadan zu besichtigen. So spektakulär, wie die Einheimischen sie finden, sind sie zwar vielleicht nicht. Aber mit einem Boot den unterirdischen Fluss entlang zu fahren hat ja auch was.
Am Mittag mache ich mich mit dann per Bus auf dem Weg nach Esfahan. Bey, der gute Kerl, fährt mich zum Bus Terminal und hilft mir beim Beladen.
Do
14
Nov
2013
Deutsch
Die letzten 120 km im Nordirak boten noch eimal das volle Programm Nordirak (Kurdistan): Maenner in kurdischen Hosenanzuegen, karge Landschaften, eine herzliche (zuweilen aufdringliche) Bevoelkerung sowie - auf die Kurden kann man sich echt "verlassen" - eine Einladung zur Uebernachtung. Zum Schluss wartete die Strecke vor der Einreise in den Iran noch mit einigen Bergen auf.
Als Naechtes steht also der Iran auf der Agenda. Hier ist es ziemlich kalt. Radeln macht wenig Spass unter diesen Bedingungen. Das Rad werde ich daher in den Bus packen, um waermere Gebiete anzusteuern.
Do
14
Nov
2013
Deutsch
Da ich mich noch nicht fit genug fühlte, um die 200 km von Arbil nach Suleymaniye mit dem Fahrrad zurückzulegen und mein Visum in wenigen Tagen auslief, trampte ich die Strecke stattdessen. Zunächst hatte ich kein Glück, als ich mit meinem vollbepackten Fahrrad an der Straße stand und den Daumen herausstreckte. Aber die Kurden (zumindest die vom Straßenrand) helfen Fremden ja immer gerne: Ein junger Mann empfahl mir, es beim nächsten Checkpoint zu versuchen und die Soldaten um Hilfe zu bitten. Dazu schrieb er mir auf kurdisch einen Zettel mit meinem Anliegen, dass ich einen Pick-up nach Sulaymaniye bräuchte. Und was machte dann der Soldat vom Checkpoint, als ich ihm den Zettel zeigte? Der hielt tatsächlich alle in Frage kommenden Pick-ups und Trucks an, bis sich einer fand, der nach Sulaymaniye wollte und mich mitnehmen konnte.
Und so erreichte ich die zweitgrößte Stadt Kurdistans schließlich am Abend. Dort nahm mich mein nächster Couchsurfing-Host in Empfang, und zwar Henrik, ein gut 50-jähriger Volkshochschullehrer aus Schweden. Henrik leitet die schwedisch-kurdische Volkshochschule in Sulaymaniye, muss aber gerade einen Kampf mit den Behörden führen, damit die Schule weitergeführt werden kann. Mit Henrik hatte ich eine hervorragende Zeit, denn er zeigte mir interessante Plätze in der Stadt und erzählte mir von seinen Erlebnissen nach einem Jahr als Volkshochschullehrer in Kurdistan. Da kommen so etliche skurrile Geschichten zusammen... Über seine Erlebnisse führt Henrik einen (schwedischsprachigen) Blog, der ihm in seiner Heimat schon eine gewissen Prominenz eingebracht hat. Er bat mich zudem, vor seinen Schülern einen kleinen Vortrag über meine Tour zu halten, was ich natürlich gerne tat. An meinem Beispiel wollte Henrik seinen Schülern zeigen, dass man im Leben gewissermaßen auch mal ungewöhnliche Wege bestreiten kann.
Zwischendurch nutzte ich die Gelegenheit, das ehemalige Foltergefängnis Amna Suraka zu besichtigen. In den Zeiten von Saddam Hussein wurden dort Kurden gefangen gehalten, gefoltert und ermordet.
Das Gefängnis ist so belassen worden, als ob es gerade erst geschlossen worden wäre. Auf dem Boden liegen schmutzige Decken der Häftlinge. An einigen Stellen sind Skulpturen von gequälten
Häftlingen aufgestellt worden und zwar so, dass man beim Hereinkommen urplötzlich auf sie trifft und sich kurzzeitig erschrickt. Durch diese Maßnahmen entsteht in dem Gefängnis eine beklemmend
intensive Atmosphäre, durch welche die grauenerregenden Vorkommnisse jener Zeit erahnbar scheinen. Sehr
beeindruckend, im tiefsten Sinne des Worte, ist auch die Ausstellung über den Massenexodus der Kurden Anfang der Neunziger Jahre, als 2 Millionen Kurden vor den Schergen Saddams in die Berge in
den Iran flüchteten. Das Elend und das Leid, das die Menschen in dieser Region in den vergangenen Jahrzehnten über sich ergehen lassen mussten, hat meinen Blick auf sie verändert. Wer weiß, was
die Person, die mir gerade zum Tee herüberreicht, vor zwanzig Jahren durchmachen musste?
In den Tagen bei Henrik konnte ich mich schlussendlich von meiner Krankheit erholen, so dass ich meine Reise mit dem Fahrrad fortsetzen konnte.
English
Since I did not feel fit enough yet to cover the 200km from Arbil to Suleymaniye by bike and my visa was about to expire a few days later, I hitchhiked the route instead. At first, I had no luck , when I stood with my fully loaded bike on the road and tried to catch a pick-up. But the Kurds (at least the ones from the side of the road) are always happy to help strangers: A young man advised me to try it at the next checkpoint and to ask the soldiers for help. For this purpose, he wrote me a note in Kurdish with my request that I would need a pick-up to Sulaymaniye. And then, what did the soldier from the checkpoint do when I showed him the note? He actually stopped all potential pick-ups and trucks until there was one who wanted to go to Sulaymaniye and could take me.
This way, I reached the second largest city in Kurdistan in the evening, where I was welcomed by my next couchsurfing host, namely Henrik, a 50 -year-old adult education teacher from Sweden. Henrik leads the Swedish- Kurdish Community College in Sulaymaniye but is just struggling with the authorities so that the school can continue. I had an excellent time with Henrik because he showed me interesting places in town and told me about his experiences after a year as adult education teachers in Kurdistan. A lot of bizarre stories had occured to him during this period... In order to share his experiences, Henrik writes a (Swedish language) blog which has already earned him a certain prominence in his home country . He also asked me to tell his students from my trip which I obviously was happy to do. On my example, Henrik wanted to show his students that sometimes in life, one can walk on unusual paths in life.
In between, I took the opportunity to visit the
former prison Amna Suraka. In the times of Saddam Hussein Kurds there were imprisoned, tortured and murdered. The prison has been left as it as if it has just been closed. Dirty blankets of the prisoners ly on the floor. In some places, sculptures of tortured detainees have been erected in a way that one is scared briefly upon entering the
room. Through these measures, an oppressively intense
atmosphere is created through which one seems to forebode the horrifying events of that
time. On the same area, an exhibition about the mass exodus of the Kurds in the early nineties, fleeing Saddam, is shown. The misery which the people of this region had
suffered in recent decades, has changed my perception of them. Who knows what the person who is just offering me tea, had gone through twenty years ago?
In the days at Henrik's place, I could finally recover from my illness so that I could continue my journey by bicycle.
Sa
09
Nov
2013
Deutsch
Größer hätte der Kontrast zu den vorherigen Tagen kaum sein können. Wie ein Phönix aus der Asche erhebt sich die Millionenmetropole Arbil aus dem Wüstenboden. Durch das Öl ist eine Menge Geld in die Stadt geflossen und das sieht man auch: Entlang palmengesäumter Einfallstraßen passiere ich superteure Hotels, während glitzernde Hochhäuser den Horizont dominieren. Größtenteils wirkt die Stadt allerdings ziemlich steril, denn wie Dubai ist sie eher eine neureiche Stadt, die erst in jüngerer Zeit immens gewachsen ist. Ein bisschen wirkt sie wie Los Angeles: Das öffentliche Bild dominieren Autos (vor allem Toyota Pick-ups und Taxen), Fußgänger wirken eher verloren und am Stadtrand wuchern eintönige Siedlungen. Mehr Charakter hat die historische Innenstadt mit der Zitadelle. Zwar hatte die Stadt nie eine besonders herausragende Stellung, aber dafür ist sie eine der ältesten durchgängig besiedelten Orte der Welt.
Für mich ist Arbil mit weniger guten Erinnerungen verbunden: Hier wurde ich zum ersten so richtig (durchfall-)krank während der Reise. Zum Glück konnte ich mich einige Tage bei meinem hervorragenden Gastgeber Mustafa erholen, ein Architekt aus Istanbul. Er lebt zusammen mit seiner kasachischen Frau Assem für ein paar Jahre in der Stadt, um einige der Hochhausbauten zu betreuen.
English
The contrast to the previous days could not have been bigger. Like a phoenix from the ashes, the metropolis Arbil rises from the desert. Thanks to the oil, a lot of money has flowed into the city and this becomes clearly visible: Along palm-lined roads, I pass super expensive high-rise hotels, while glittering skyscrapers dominate the horizon. Mostly, it is a pretty sterile city, however, because like Dubai it is more of a nouveau riche city that has grown immensely more recently. It looks a bit like Los Angeles: The public image is dominated by cars (especially Toyota pick-ups and taxis), pedestrians seem more lost and dreary settlements on the outskirts proliferate. The historical inner city with the citadel has more character. Although the city had never been in a particularly prominent position is is one of the oldest continuously inhabited places in the world .
For me, the city is associated with less good memories: Here I was first really (diarrhea ) sick during the trip. Luckily, I was able to recover a few days with my excellent hosts Mustafa, an architect from Istanbul. He lives with his Kazakh woman Assemblies for a few years in the city to take care of some of the high-rise buildings .
Sa
09
Nov
2013
Deutsch
Die dreitägige Etappe von Dohuk nach Arbil führte mich, wie schon in den letzten Wochen, durch ländliche und halbwüstenartige Gegenden. Die Menschen leben auch hier in überschaubaren Gemeinden und in eher traditionellen Gesellschaftsstrukturen. Soll heißen: Die Frau rückt ins zweite Glied, das öffentliche Bild auf den Straßen dominieren die Männer. Das heißt allerdings nicht, dass durchweg alle Frauen mit schwarzem Chador durch die Gegend laufen müssen. Das kommt zwar vor, aber viele Frauen dürfen sich auch völlig ohne Kopftuch und mit offenen Haaren sowie in modernen Klamotten zeigen. Das hängt von der Kulanz ihrer Ehemänner ab, wie ich mir hab' sagen lassen. Allerdings, ob mit oder ohne Kopftuch, sie müssen durchweg langärmelige Oberteile und Hosen bzw. lange Röcke tragen, zu viel Haut ist denn doch zu viel des Guten für die frommen Jungs hier... Ansonsten meine ich mit "traditionell" nicht, dass sich die jüngeren Leute hier etwa anders kleiden würden oder sich großartig anders geben als ihre Altersgenossen bei uns, aber auch sie können sich den traditionellen Strukturen nicht völlig entziehen, solange sie auf dem Dorf leben.
Das Radfahren verläuft jedenfalls relativ problemlos. Die Etappe ist flach, das Wetter angenehm und Verpflegung ist überall in kleinen Lebensmittelläden oder den „Lokantasis“, d.h. In Restaurants und Imbissen, verfügbar. Beim Übernachten ist man freilich auf die Gastfreundschaft der Bevölkerung angewiesen, denn Hotels oder ähnliches gibt es auf diesem Teilstück nicht. Wildzelten ist schwierig, da das Land sehr weit und flach ist, so dass kaum Sichtschutz für das Zelt besteht. Wenn ich es versuchen würde, würde mich eine der zahlreichen Militärpatrouillen schnell entdecken und verjagen. Einmal durfte ich mein Zelt auf dem Rasen eines Restaurants aufschlagen. Beim einem anderen Male wurde ich, wie schon so oft in dieser gastfreundlichen Gegend, zum Übernachten bei Leuten eingeladen. Das war in einem Jesidendorf. Diese Begegnung war sicherlich eine der interessantesten meiner bisherigen Reise.
Bei den Jesiden handelt es sich um eine sehr kleine, religiöse Minderheit, die hauptsächlich im Nordirak anzutreffen ist. Ihr Glaube wurzelt (wenn ich das richtig verstanden habe), wie auch die anderen drei großen monotheistischen Religionen, in der Schöpfungsgeschichte mit Adam und Eva, schlug aber einen anderen Weg ein. Die Jesiden im arabischen Irak haben es besonders schwer mit den Al-Kaida-Terroristen; vor einigen Jahren mussten die Jesiden den weltweit größten islamistischen Terroranschlag seit dem 11. September 2001 erleiden, mit über 800 Toten (wovon man im Westen freilich eher wenig Notiz nahm). Dementsprechend haben viele von ihnen nicht zuletzt in Deutschland Asyl gefunden. In der relativen Sicherheit des kurdischen Iraks aber können sie weitgehend unbehelligt leben. Jedenfals durfte auch ich eine Nacht bei ihnen verbringen. Zustande gekommen war das, als ich einen Verkehrspolizisten nach dem nächsten Hotel fragte. Dieser Polizist war Jeside und lud mich in sein Dorf zum Übernachten ein. Von seiner Familie wurde ich fürstlich bewirtet und hatte ein angenehmes Nachtlager. Tags darauf fuhren sie mich sogar zu ihrem Heiligtum in den Bergen, eine große Kultstätte namens Lalisch.
Nach drei Tagen in den ländlichen Gebieten erreichte ich schließlich die glitzernde Millionenmetropole Arbil.
English
On the three day etap from Dohuk to Arbil, I once again encountered vast, semi-desert and rural areas. People lead a rather traditional islamic lifestyle, although not all women wear headscarfes. Granted, young people do not act overly different than their Western counterparts, although they have to adhere to the local rules at least to a certain extent, as long as they live in the villages.
Cycling was generally easy, since food supply was available anywhere, whereas the roads were decent and mostly flat. However, there was a lot of traffic on the main roads and the cars were driving very fast. Accomodation was hard to find, since no hotels are available. Wild camping is difficult since the area is wide and flat, so that military patrols would easily detect tents in the field and prohibit camping. Luckily, the hospitable people are happy to host foreign cyclers. On one occasion, I happened to stay at a Yezidi family. The Yezidis are a religious minority with a very special belief. In the arabic Iraq, they often suffer from Al Kaida terror. The Yezidi family hosted me wonderfully and even showed me around their holy gemple, called Lalish.
Do
07
Nov
2013
Schon 35 km vor der tuerkisch-irakischen Grenze stauen sich die LKW's. Das muss Tage dauern, bis die mal die Grenze passiert haben. Solche Probleme habe ich zum Glueck nicht: Ich kann mich einfach mit dem Fahrrad vorbeimogeln und muss dabei gefuehlte 10.000 Mal den johlenden LKW-Fahrern zuwinken. An der Grenze angekommen, gibt es zunaechst ein bisschen Hick-Hack um mein Fahrrad: Die Tuerken wollen mich zunaechst nicht ausreisen lassen, weil sie glauben, dass die Irakis eine Registrierungsnummer fuer mein Fahrrad verlangen. Ein Anruf des zustaenden Beamten klaert die Sache aber und ich kann ausreisen. Im Irak erhalte ich zunaechst problemlos den Einreisestempel, der mir einen 15-taegigen Aufenthalt im Land erlaubt. Mich befaellt ein Kribbeln, es ist ein aufregendes Gefuehl, in den IRAK einzureisen, auch wenn es sich dabei "nur" um Kurdistan handelt. Mit dem Einreisestempel ist die Sache hier aber noch nicht gegessen: Denn wenn ich das richtig verstehe, muss ich mein Fahrrad offiziell registrieren lassen. Mehrmals muss ich dazu hin und her laufen fuer irgendwelche Stempel und Unterschriften und unterschreibe am Ende irgendeinen amateurhaften handgeschriebenen arabischen Zettel. Schliesslich ist aber alles okay und ich kann endlich ins Land einreisen. Es ist bereits dunkel, als ich mich von der Grenze in die 12 km entfernte Stadt Zakho aufmache.
Am naechsten Tag erkunde ich die Stadt ein wenig. Auf den ersten Blick wirkt sie nicht viel anders als die osttuerkischen Staedte. Es gibt einen Basaar, alles ist staubig, die Laeden sind oft klein und einfach und der Verkehr wirkt immer ein Spur anarchischer als in Mitteleuropa. Die einzige nennenswerte Sehenswuerdigkeit dieser Stadt ist die Dalal-Bruecke, die vermutlich aus Roemerzeiten stammt.
Tags darauf stosse ich mit dem Fahrrad weiter ins Land vor. Bis auf einige Berge um die Staedte herum, ist die Gegend weitgehend flach, so dass ich gut vorankomme. Typisch kurdisch, erfahre ich grosse Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft von den Menschen. Wenn ich alle Einladungen zum Tee angenommen haette, waere ich nicht weit gekommen... Eine Einladung zum Mittagessen nehme ich aber gerne an. Einige Kilometer vor der naechsten Stadt Dohuk habe ich eine Reifenpanne. Die kann ich zwar beheben, aber ich habe trotzdem ein mulmiges Gefuehl, nur 50-60 km von Mosul entfernt zu sein. Alle Einheimischen hier warnen eindringlich vor Mosul und verweisen auf die Sicherheit in Kurdistan. Allerdings ist es ohne spezielles Visa sowieso nicht moeglich, in den gefaehrlichen Irak einzureisen, so dass man sich nicht etwa versehentlich dort hinverirren kann.
Am Abend habe ich schliesslich die naechste Stadt Dohuk erreicht. Als ich in der Stadt ein Restaurant fuer mein Abendessen suche, werde ich von einem jungen Iraker namens Mahmut angesprochen und "mal eben" zum Abendessen eingeladen. Anders als die meisten Einheimischen, spricht er passables Englisch. Obwohl er erst 23 ist, ist er schon verheiratet und hat 2 Kinder. Das ist freilich normal in der Region. Die Leute heiraten grundsaetzlich frueh, bekommen entsprechend frueh Kinder und hoeren mit dem Kinderkriegen dann auch nicht so schnell auf...
Mi
06
Nov
2013
Deutsch
Als nächstes also der Irak... Ist das nicht Wahnsinn, bin ich lebensmüde?! Nein, keine Sorge. Beim Nordirak, den ich den nächsten ein bis zwei Wochen bereisen werde, handelt es sich um die autonome Provinz Kurdistan, die als relativ friedlich und sicher gilt. In dieser Region agieren die hiesigen Kurden schon seit den achtziger Jahren weitgehend unabhängig und errichteten eine Art "Staat im Staate Irak". Diese Provinz gilt als der "andere Irak". Während des Rest des Landes seit der Invasion der Amerikaner in Gewalt und Chaos versunken ist, konnten sich die Kurden vom Terror des arabischen Iraks weitgehend abschirmen. Anschläge hat es in den letzten Jahren so gut wie gar keine gegeben und auch sonst sorgt die starke kurdische Armee für die Sicherheit in der Provinz. Selbst das Auswärtige Amt hält das Reisen in dieser Region für weitgehend unbedenklich. Dank des Ölreichtums sind die Menschen hier relativ wohlhabend. Wie üblich in Ölstaaten ist das Benzin sehr billig und es gibt sogar ein gewisses Grundeinkommen. Trotz unbestreitbarer Probleme (Korruption, Sozialsystem, Stellung der Frau etc.), die typisch für ein islamisches Schwellenland sind, dient die Provinz Kurdistan dem Rest des Landes als ein Musterbeispiel fuer einen friedlichen und demokratischen Irak.
English
Next station Iraq ... Is not that crazy, am I tired of life? No, don't worry. The Northern Iraq, the region that I will travel around for the next one to two weeks, is the autonomous province of Kurdistan, which is considered relatively peaceful and secure. In this region, the local Kurds have acted largely independently since the eighties and established a "state within a state of Iraq." This province is considered the "other Iraq". Whereas the rest of the country has sunk into violence and chaos since the invasion of Americans, the Kurds were largely shielded from the terror of the Arab Iraq. Terror attacks have been very rare in recent years and also in other terms, the powerful Kurdish army ensures the security in the province. Even the German Foreign Office conisders traveling in this region as relatively safe. Thanks to the oil wealth, the people are relatively well off here. As is customary in the oil states, petrol is very cheap and there is even a certain basic income for the citizens. Despite undeniable problems (corruption, social system, status of women, etc.) that are typical of an emerging Islamic country, the province of Kurdistan, by comparison to the rest of the country, serves as a prime example for a peaceful and democratic Iraq.
Di
29
Okt
2013
Nach Urfa ging es immer weiter Richtung Osten entlang der syrischen Grenze. Kilometer lange Stacheldrahtzäune trennen die Hauptstraße von den Sperrgebieten, welche das türkische Militär errichtet hat. Hinter den verbotenen Zonen sind syrische Siedlungen am Horizont auszumachen.
Die Landschaft präsentierte sich weiterhin karg, flach und eintönig. Nur gelegentlich wird die Kargheit von Baumwoll- oder Maisfeldern unterbrochen, aber in dieser teilweise unendlich scheinenden Weite liegt auch ein gewisser Reiz. Die flachen Strecken machen freilich anfällig für Gegenwind, und genau jener erwischte mich an mehreren Tagen mit voller Breitseite. Mitten in die Fresse, sozusagen. Oder gegen die Fresse, besser gesagt. Aber so ist das nun mal, wenn man mit dem Fahrrad verreist, man kann nicht immer nur Rückenwind haben, zumal das Wetter bei angenehmen 25 Grad Celsius ansonsten keinen Grund zum Meckern gab.
So eintönig die Landschaft sein mag, so interessant ist die Gegend in politischer Hinsicht. Hier hat die kurdische PKK eine starke Stellung. Einmal traf ich sogar zwei PKK-Kämpfer an der Straße, die offenbar eine Art Kontrollposten besetzt hielten. Später begegnete ich einem Schäfer, der sich als Anhänger der PKK auswies.
Wieder einmal durfte ich die kurdische Gastfreundschaft genießen. Neben unzähligen Tees und Snacks, die mir von den Menschen an der Straße angeboten wurden, ließ mich beispielsweise ein Hell's Angels-Mitglied aus Duisburg namens Asat bei sich übernachten. Und als ich erschöpft vom zermürbenden Gegenwind in einem kleinen Dorf nach einem Lebensmittelladen suchte und nach dem nächsten Hotel fragte, lud mich spontan eine Familie ein, bei ihr im Haus zu übernachten. Da der Vater aus seiner Gastarbeiterzeit noch gut deutsch konnte und einige von seinen sechs Kids ein bisschen englisch sprachen, klappte es mit der Kommunikation ganz gut. Am Morgen darauf durfte ich zudem bei einem Traktorausflug zu einer Schafherde dabei sein.
Noch knapp 60 km. Dann beginnt der Irak.
Do
24
Okt
2013
Deutsch
Seitdem ich Gaziantep Richtung Osten verlassen habe, hat sich mir eine neue Welt aufgetan: Mesopotamien, der Mittlere Osten ist erreicht. Zumindest aus meiner westlich gefärbten Perspektive wirkt das Land nun orientalischer und arabischer. Mehr als je zuvor habe ich ein Gefühl von Abenteuer und Exotik, als ich über die staubigen Einfallstraßen in der Stadt Birecik den Euphrat überquere. Die LKW-Fahrer, die hier unterwegs sind, steuern Ziele wie den Irak oder den Iran an und damit Länder, die ich als Westeuropäer bislang nur aus dem Fernsehen kannte. Die Landschaft ist mittlerweile sehr karg geworden und wirkt wie eine Marslandschaft. Es ist aber eben nicht unerträglich heiß, wie man es vielleicht von einer Halbwüstenlandschaft erwarten könnte, sondern zu dieser Jahreszeit strahlt die Sonne eine angenehme Wärme aus.
Östlich von Gaziantep beginnen zudem die Kurdengebiete. Deutlich wird das an dem Grad der Gastfreundschaft, denn noch mehr als die Türken neigen die Kurden dazu, spontan fremde Reisende wie mich zum Tee oder Essen einzuladen. So lud mich beispielsweise eine Trauergesellschaft spontan zum Mittagessen ein, als ich auf der Suche nach einem Restaurant war. Die Trauergesellschaft bestand nur aus Männern. Auch sonst dominieren auf dem Land die Männer das öffentliche Bild. Diese konservative Gesellschaftsstruktur war freilich auch schon vor Gaziantep zu beobachten und lässt sich wohl mehr oder weniger in allen ländlichen Gebieten feststellen.
Ein bisschen nervig sind vor allem die „Halbstarken“, die jungen Männer unter 20 Jahren. Sie röhren oft zu zweit oder dritt auf getunten Motorrädern durch die Gegend und machen einen auf dicke Hose. Das können die meinetwegen ja gern machen, solange die mir nicht in die Parade fahren. Viele von denen kommen allerdings irgendwie hämisch rüber. Meistens lassen sie sich mit lässigen Handheben und einem „How are you, buddy?!“ besänftigen. Man hat sie dann beachtet und das ist vielleicht wichtig für sie. Es ist jedoch auch schon vorgekommen, dass sie mich vom Motorrad aus erschrecken wollen, indem sie zum Beispiel viel zu dicht an mir vorbeifahren. Die Jungs haben wahrscheinlich einfach nichts Besseres zu tun und müssen ihre Triebe irgendwie abreagieren. Mit den einheimischen Mädchen dürfen sie in diesen verklemmten Gegenden ja nicht vor der Ehe und anders als an der Westküste gibt es keine russischen Touristinnen, mit denen sie sich alternativ vergnügen könnten.
Nach zwei Tagen kam ich in Sanliurfa an, einer der heiligsten Städte des Islams. Der Überlieferung zufolge sollen sich hier einige blumig beschriebene Koran-Episoden (z.B. Feuerbälle, die sich in Karpfen verwandelten und Abraham, der durch Allah vom Scheiterhaufen befreit und in einen Rosengarten gehievt wurde) abgespielt haben. Um diese „Geschichten“ herum wurden prächtige Moscheen und Parkanlagen gebaut, die ich mir natürlich nicht entgehen ließ. Auch der atmosphärische Basar lohnte sich.
Since I have left the Gaziantep towards east, a new world has opened up to me: Mesopotamia, the Middle East is reached. At
least from my western perspective, the country now looks more oriental and Arabic. More than ever, I have a sense of adventure and exoticism, as I cross the Euphrates along the dusty roads
leading into the city Birecik. The truck drivers who are traveling head to destinations such as Iraq or Iran. i.e. for countries that Western Europeans so far as I know only from TV. The
landscape has become very sparse and looks like a Martian landscape. But it's just not unbearably hot as one would perhaps expect from a semi-desert landscape, but at this time of year , the sun
has a pleasant warmth.
East of Gaziantep also begin the Kurdish areas. This becomes clear from the level of hospitality because even more than the Turks, the Kurds tend to spontaneously invite foreign travelers like me
to tea or food. Thus, for example, some mourners invited me spontaneously for lunch when I was in search of a restaurant. The funeral party consisted only of men. And also on a general basis, the
men dominate the country's public image. This conservative social structure was of course also be observed before Gaziantep and can probably find more or less in all rural areas .
A bit annoying are the "beatniks", the young men under 20. They often drive around by tuned motorcycles, with two or three on it, through the area and try to act like “King Louie”. As long they
do not bother me, I would not care, of course. However, many of them are somehow gloating over. Usuallly, they can be appeased with a cool show of hands and a "How are you , buddy?" One so has
then paid attention to them and this is perhaps important to them. However, it also occured to me that they wanted to scare me on the motorcycle, for example by passing too close to me. The guys
have probably simply nothing better to do and have to react somehow to their instincts. With the local girls they can not hang out seriously before marriage in these prudish areas and unlike on
the west coast, there are no Russian girls with whom they could alternatively have fun with.
After two days I arrived in Sanliurfa, one of the holiest cities of Islam. According to tradition, some flowery described Qur'an episodes (e.g., fire balls that turned into carps and Abraham, who
was freed by Allah from the pyre and heaved into a rose garden) should have taken place here. Around these "stories", magnificent mosques and parks were built which I of course did not miss.
Also, the atmospheric bazaar was worth it.
So
20
Okt
2013
Deutsch
Bei Goethes „Faust“ ist die Rede von der „Kraft, die stets das Böse will und das Gute schafft“. So ungefähr lässt sich auch meine Etappe von Adana nach Gaziantep zusammenfassen. Das Böse war mir in Form einer Reihe von gravierenden Schäden am Fahrrad erschienen. Wobei jene Kraft, die diese Schäden verursacht hatte, nicht unbedingt böse ist, sondern einfach „normaler Verschleiß“ genannt werden kann. Aber die bösen „Schäden“ waren nun mal da: Zum einen eierte mein Hinterrad und zum anderen waren die Bremsbeläge vorne und hinten durchgescheuert. Das musste fachmännisch repariert werden. Dumm nur, dass wegen der Feiertage kaum eine Reparaturwerkstatt geöffnet war. Und dann musste ich auch noch einen Mechaniker finden, der die komplizierten Scheibenbremsen überhaupt reparieren konnte. Ich drohte, fast eine ganze Woche Zeit zu verlieren.
Und jetzt das Gute: „Dank“ dieser Schäden durfte ich mehrfach eine überwältigende Hilfsbereitschaft erfahren, die für sich genommen großartige Erfahrungen darstellen, die ich nicht missen möchte. Aber der Reihe nach: In Gaziantep kam ich zunächst bei Namik unter, einem Arzt, der mit seiner Familie in einem schönen Haus mit Garten lebt. Als sie erfuhren, dass ich technische Probleme hatte, diese aber wegen der Bayram-Feiertage vorerst nicht beheben lassen konnte, setzten sie alle Hebel in Bewegung. Ich durfte bei ihnen bleiben, um abzuwarten und kam so in den Genuss ihrer kulinarischen Schätze. Besonders schön war auch, als sie an einem Abend spontan einen Gesangsabend veranstalteten.
Extra für mich fuhren sie ins 40 km entfernte Kilis, wo es eine der wenigen Werkstätten in der Gegend gab, die in dieser Feiertagswoche geöffnet hatte. (Zum Glück konnten sie den Ausflug für Verwandtenbesuche nutzen.) Die Stadt liegt direkt an der syrischen Grenze, so dass ich gleichzeitig Eindrücke vom Krieg in Syrien bekam. Zunächst sah ich auf dem Weg nach Kilis überall Flüchtlinge. In Kilis selber hörte ich Schüsse, denn die Kampfhandlungen waren nur 10 bis 15 km entfernt. Für die Einheimischen freilich was das “völlig normal“.
Jedenfalls konnte der Mechaniker in Kilis die Acht aus meinem Hinterrad ausbeulen. Allerdings hatte er keine Ersatzteile für die Bremsen. Und so musste ich doch noch in die Innenstadt von Gaziantep ziehen, um dort einen passenden Mechaniker zu finden. Als ich in der Stadt ein billiges Hotel suchte, sprach mich ein junger Mann namens Dozwan an. Dozwan sprach gut deutsch und half mir, ein passendes Hotel zu finden. Anschließend lud er mich zum Mittagessen ein. Als er hörte, dass ich Probleme mit meinem Fahrrad hatte, organisierte er sogleich ein Treffen mit zwei befreundeten Radrennprofis. Diese Jungs waren hervorragende Fahrradmechaniker und hatten die Ersatzteile auf Lager. Somit konnten sie mein Bike problemlos reparieren. Dafür opferten sie mal eben einen halben Nachmittag für mich. Eine Gegenleistung wollten sie nicht annehmen, aber immerhin konnte ich ihnen eine ordentliche Portion des köstlichen Pistazien-Baklavas, das aus Gaziantep stammt, überreichen.
Seitdem läuft mein Fahrrad wieder einwandfrei. Als Nächstes geht es tief in das südöstliche Anatolien hinein, in die Kurdengebiete.
English
In Goethe's "Faust", there is mentioning of the "force which always wants evil and creates the good". This is more or less how my leg from Adana to Gaziantep can be summarized. The evil had occured to me in the form of some serious damage to the bicycle. Granted, the force that had caused this damage is not necessarily evil but may also be called simply "normal wear". But the evil "damage" had now been out there: Firstly, my rear wheel wobbled and second, the brake pads were worn. This had to be professionally repaired. Unfortunately, barely any repair shop was open due to the Bayram holidays. Besides, I also had to find a mechanic who could fix the complicated disc brakes at all. I was on the verge on losing an entire week.
And now the good: "Thanks" to this damage I repeatedly experienced an overwhelming helpfulness which in itself constitute a great experience that I would not want to miss. But first things first: In Gaziantep, I was warmly welcomed by Namik, a medical doctor who lives with his family in a beautiful house with a garden. When they learned that I had technical problems which could not solved for now due to the holidays, they put the wheels in motion to help me. I was allowed to stay with them and came to enjoy their culinary treasures. It was especially nice when they spontaneously organized a singing evening at one evening.
Just for me they drove 40 km away Kilis where there was one of the few shops in the area which had opened in this holiday week (conveniently, they used this trip in order to visit some relatives). The city is located at the Syrian border, so that I got some impressions of the war in Syria. First, on the way to Kilis, I saw refugees everywhere. In Kilis, I heard shots because the fighting was only 10 to 15 km away. The locals though considered this as “totally normal”.
Anyway, the mechanic in Kilis indeed could fix my rear wheel. However, he had no spare parts for the brakes. And so I still had to move to the city of Gaziantep in order to find an appropriate mechanic. When I was looking for a cheap hotel in the city, a young man named Dozwan approached me. Dozwan spoke good German and helped me finding a suitable hotel. Then he invited me to lunch. When he heard that I had problems with my bike, he immediately organized a meeting with two friends, some racing professionals These guys were excellent mechanics and had the parts in stock. Thus, they were able to repair my bike easily and sacrificed almost an entire afternoon for me. Although they would not accept a return for their service, I could give them a good dose of delicious pistachio baklava at least, which comes from Gaziantep.
Since then, my bike has been running perfectly again. Next, I am heading deep into south-eastern Anatolia, into the Kurdish areas.
So
20
Okt
2013
Deutsch
Mersin erreichte ich am Abend nach elfstündiger Busfahrt an der Küste entlang. Der Ausstieg aus dem Bus war hektisch verlaufen, da mir mehrmals fälschlicherweise versichert worden war, dass ich erst an der nächsten Station aussteigen müsste. Und so vergaß ich vor lauter Hektik von meinen acht Gepäckstücken den Schlafsack im Bus. Zunächst aber wurde ich von meinem Warmshower-Host Serdar in Empfang genommen, der zusammen mit seiner italienischen Studienkollegin Valeria gekommen war. Serdar, Doktorand der Meeresbiologie, war ein großartiger Gastgeber und organisierte sogleich per Telefon, dass die Bus-Firme meinen Schlafsack an der nächsten Station verwahrte. Zusammen mit ihm und seiner Studienkollegin verbrachten wir einen total netten Abend in der Stadt, die über eine atmosphärische Strandpromenade verfügt.
Tags darauf nahm ich quasi "Abschied" vom Mittelmeer. Herrlich war dieZeit, die ich an dessen Küste verbrachte. Von nun an geht es für längere Zeit hinein ins Binnenland (zunächst Südostanatolien). Erst im Südiran werde ich wieder ein Meer sehen. Die Fahrt nach Adana war dann landschaftlich unspektakulär und verlief entlang einer Hauptstraße, auf der stinkende LKW's regelmäßig die Luft verpesteten. Immerhin konnte ich am Busbahnhof in Adana meinen Schlafsackk abholen.
In diesem Teil der Türkei sind Touristen eher selten. Ausländern wie mir wird viel mehr Aufmerksamkeit entgegen gebracht als in den westlichen Landesteilen. Das äußert sich etwa darin, dass ständig irgenwelche Türken in voller Fahrt aus den Autos heraus ein schräges "HEEEELLLLOOOO!!!" herauskrähen oder ihre Hupe im wilden Stakkato-Stil betätigen, bis ich denn mal (zuweilen angenervt) herübergewunken habe. Solange man kein Zeichen zurückgibt, hören die Türken hier nicht auf, auf sich aufmerksam zu machen (wahlweise mit besagten "HELLO!"'s oder ihrer Autohupe), da kennen die kein Pardon.
In Adana war dann erst mal ein Tag ausspannen, einkaufen, Wäsche machen und Internet-Kram angesagt.
English
I arrived Mersin in the evening after an 11 hour bus ride along the coast. The exit from the bus was running frantically as
I was repeatedly falsely assured that I only have to get off at the next station. And so due to the hectic situation, I forgot one of my eight pieces of luggage on the bus, namely the sleeping
bag. But first I was welcomed from my warmshower host Serdar who had come along with his Italian study colleague Valeria. Serdar, a PhD student in marine biology, was a great host and organized
immediately by phone that the bus firm kept my sleeping bag at the next station. Together with him and his fellow student we spent a n totally ice evening in the city, which has an atmospheric
beach promenade.
The next day I said "Farewell " to the Mediterranean Sea. From now on, it goes for a long time into inland (first Southeastern Anatolia). Only in Southern Iran I'll see a sea again. The trip to
Adana was then unspectacular in landscape terms and ran along a main road, on which the smelly trucks regularly polluted the air. After all, I could pick up my sleeping bag at the bus station in
Adana.
In this part of Turkey, tourists are rare. Foreigners like me will be met with much more attention than in the western parts of the country. This is expressed, inter alia, through the fact that
the locals constantly cry out a slanted " HEEEELLLLOOOO!” out the car (moving at full speed) or press their horn in a wild staccato style, as long I have not yet (sometimes annoyed) waved to
them. As long as one does not react to them, the Turks will not stop to draw attention to themselves (either with said "HELLO!"'s or their car horns). They show no mery in this respect.
In Adana, I spent a day with relaxing, shopping, laundry and internet stuff.
Sa
12
Okt
2013
DEUTSCH
„WOW“ kann ich nur sagen angesichts der überwältigend schönen Mittelmeerküste der Türkei. Ich spare mir blumige Beschreibungen lasse und lieber die Bilder für sich sprechen. Toll waren auch die lykischen Ruinenstätten, von denen Unmengen entlang des Weges stehen. Letztlich habe ich mir davon zum einen Myra angeschaut, welches für seine Felsengräber berühmt ist und dazu noch die Wirkungsstätte des historischen St. Nikolaus war. Und zum anderen war ich für ein paar Tage bei den Ruinen von Olympos. Die Ruinen stehen in unmittelbarer Nähe zum Strand, an dem man wunderbar ausspannen kann. Dort bin ich zwei volle Tage lang geblieben und habe die Ruhe und entspannte Atmosphäre genossen.
Dank Couchsurfing und Warmshowers (das Pendant zu Couchsurfing, speziell für Tourenradler) konnte ich für einige Nächte privat übernachten, und es war jedes Mal ein tolles Erlebnis. Meine Gastgeber waren einfach klasse!
Nach Antalya bin ich per Bus die Küste entlang ins knapp 600 km entfernte Mersin gereist, da ich nicht genug Zeit habe, die komplette Strecke mit dem Fahrrad zurückzulegen. Östlich von Mersin beginnen allmählich die Kurdengebiete. Die Grenzen zu Syrien und Irak sind nicht mehr weit.
Es wird spannend.
English
"WOW" I can only say in the face of the overwhelmingly beautiful Mediterranean coast of Turkey. I 'll save my flowery descriptions and prefer the pictures to speak for themselves. Also
outstanding were the the Lycian ruins of which there are countless along the way. Ultimately, I 've looked at it for a Myra, which is famous for its rock tombs and which was the domain of the
historic Santa Claus. Furthmerore, I was for a few days at the ruins of Olympos. The ruins are very close to the beach, where you can completely relax. I stayed there for two full days and
enjoyed the quiet and peaceful atmosphere.
Thanks to Couchsurfing and Warmshowers (the counterpart to couchsurfing, specifically for touring cyclists ) I could for a few nights stay private, and each time it was a great experience. My
hosts were just great!
From Antalya, I traveled by bus heading east, along the coast to the almost 600 km away Mersin, since I do not have enough time to cover the whole route by bicycle. East of Mersin, the Kurdish areas gradually begin. The borders with Syria and Iraq are not far off.
It is becoming interesting.
Di
01
Okt
2013
DEUTSCH
Die „Ägäis“... Das klingt sperrig, konservativ, wie „Tante Agathe“ oder öder Altgriechischunterricht in der siebten Stunde. Aber nichts davon trifft zu. Herrlich war es vielmehr, an diesem Küstenabschnitt zwischen Izmir und Bodrum entlang zu radeln. Allein die Farbenpracht, die zu jeder Tageszeit auf eine andere Art toll aussieht, verführt dazu, ständig anzuhalten und die Digitalkamera zu bemühen. Auch das Hinterland hat seine Reize mit seinen grünen Nadelwäldern. Gereizt werden allerdings angesichts der bergigen Topographie und bei 30° Celsius im Schatten auch die Waden und die Schweißdrüsen. Mein Gott, mir lief der Schweiß sowas von herunter, ich sah aus, als hätte man mich mit einem Eimer Wasser übergossen und abends sieht man dann, wie sich weiße Salzschichten auf den durchgeschwitzten Klamotten gebildet haben...
Abgesehen von den landschaftlichen Highlights gibt es kaum eine Region im Mittelmeerraum, in der so viele hervorragend erhaltene Ruinenstätten aus der griechisch-römischen Antike zu finden sind. Allein drei der Sieben Weltwunder der Antike sind hier zu finden (eins davon auf der griechischen Insel Rhodos). Selbstverständlich habe ich mir dementsprechend die Überreste des Artemis-Tempels bei Selcuk / Ephesus sowie des Mausoleums zu Harlikanossos in Bodrum reingezogen. Viel mehr als einige Trümmer ist von den einstigen „Wundern“ zwar nicht mehr übrig. Aber der legendäre Ruhm der sie umgibt, hat soviele menschliche Schicksale beeinflusst, dass die bloße Anwesenheit an ihren Stätten mich fasziniert hat. Der Artemis-Tempel von Ephesus beispielsweise wurde von einem Mann namens Herostratos niedergebrannt, nur weil er mit dieser Tat in die Geschichtsbücher eingehen wollte. Die Wahnsinnsamokläufer heutiger Zeit lassen grüßen.
Daneben nahm ich zwischendurch an einem Biker-Festival an der Küste teil. Eingeladen dazu hatte mich Mustafa, der Präsident des Fahrradclubs von Izmir, den ich zufällig auf der Straße getroffen hatte. Auch so eine Geschichte einer Fahrradreise.
English
"Aegean" ... That sounds unwieldy , conservative, like " Aunt Agatha " or barren Altgriechischunterricht in the seventh hour. But none of that is true. Instead, it
was wonderful to cycle along this stretch of coast between Izmir and Bodrum . The colors of the area look great any time of the day in a different way and have you stop again and again in order
to make use of the camera. The hinterland has its charm, too, with its green pine forests. Cycling there was sweaty ,however, given the mountainous topography and temperatures of 30 ° C in the
shade. My God, the sweat was running down from me so hard, I looked as if someone had doused me with a bucket of water and then in the evening you can see how white salt stripes have formed on
the sweat-soaked clothes ...
Apart from the scenic highlights, there is hardly a region in the Mediterranean where you can find so many well preserved ruins from ancient Greco -Roman time. For example, three of the Seven
Wonders of the World are to be found here (one on the Greek island of Rhodes). Of course I have accordingly dragged me the remains of the Temple of Artemis in Selcuk / Ephesus and the Mausoleum
at Harlikanossos in Bodrum. Granted, merely some debris is left of the former "wonders ". But the legendary fame which surrounds them, has influenced so many human fates , that the mere presence
on their sites fascinates me. The Temple of Artemis at Ephesus, for example, was burned down by a man named Herostratos, just because he wanted to go down in history with this deed. The current
time homocidal maniacs send their regards .
Furthermore, I took part in in a biker festival on the coast. I had been invited by Mustafa , President of the Cycling Club of Izmir , whom I had met by chance on the street. He invited for lunch
and we had a fantastic conversation about his lobby work for cyclists in Turkey and the bker events that he organzes. Even so, another story of a bike trip .
Fr
27
Sep
2013
DEUTSCH
Der erste große Meilenstein meiner Reise ist erreicht: Istanbul. Als Zwischenbilanz stehen knapp sechs Wochen, 2500 geradelte Kilometer (plus 350 km per Zug), acht Länder und unzählige schöne Begegnungen mit freundlichen Menschen zu Buche.
Und die Stadt zeigt gleich zu Beginn, dass sie keine gewöhnliche europäische Großstadt ist: Der Verkehr schlägt in Sachen Dichte und Intensität alles, was ich bislang erlebt habe, und ich war immerhin schon in Los Angeles, Kairo und auf dem Ludgeri-Kreisel in Münster. Auch außerhalb der Autostraßen tobt das Leben, überall sind Unmengen von Menschen unterwegs und erschaffen ein brodelndes Durcheinander.
Wieder mal darf ich mich von der türkischen Gastfreundschaft verwöhnen lassen, diesmal für zwei Nächte bei dem reizenden jungen Lehrerpaar Gülden und Said, die mich über Couchsurfing kontaktiert hatten. An den weiteren Tagen lasse ich ein paar Reparaturen am Fahrrad vornehmen, lerne coole Leute in der Hostel kennen und schaue mir natürlich einige Sehenswürdigkeiten an.
Fazit: Von der Fahrradperspektive ist Istanbul größtenteils ein Alptraum. Abseits des Fahrradsattels aber ist die Stadt definitiv ein großartiges Erlebnis. Ihre architektonischen Sehenswürdigkeiten sprechen natürlich für sich. Vor allem aber haut die Stadt um durch das brodelnde Leben auf den Straßen. Für den Westeuropäer, der allenfalls überfüllte Fußgängerzonen am Samstagnachmittag kennt, ist das ein geradezu rauschhaftes Erlebnis. Hier bin ich sicherlich nicht zum letzten Mal gewesen.
Von Istanbul aus reiste ich per Fähre und Bus nach Izmir. Von dort an bis Antalya begann in landschaftlicher Hinsicht der wohl schönste Abschnitt meiner Reise. Dazu später mehr.
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ENGLISH
I have reached the first major milestone of my journey: Istanbul. Interim results include almost six weeks, 2500 kilometers (+350 km by train), eight countries, and
countless beautiful encounters with friendly people along the way.
And right at the beginning, the city makes clear that it is by no means an ordinary European capital: traffic is simply crazy and beats everything in terms of density and intensity I've ever
experienced so far, and I was at least already in Los Angeles, Cairo, and on the Ludgeri roundabout in Muenster. Even outside the highways, the city is full of life, everywhere are tons of people
out who create a bubbling mess.
Again I may indulge myself by the Turkish hospitality, this time for two nights at the lovely young couple Gülden and Said, who had invited me through Couchsurfing. On the other days, I had a few
repairs on the bike to be carried out, got to know cool people in the hostel and obviously visited a few of the most significaant sights.
Conclusion: From a bicycle perspective, Istanbul is mostly a nightmare. Away from the bicycle saddle, the city is definitely a great experience. Its architectural sights obviously speak for
themselves. Above all, the city overwhelms through the seething life on the streets. From the perspective of an average Western European who is usually confronted with crowded pedestrian areas on
Saturday afternoon at most, this is a downright ecstatic experience. I will certainly return to the city in the near future.
After Istanbul, i took a bus to Izmir. More on that will follow soon.
Fr
30
Aug
2013
Der slowakische Abschnitt war relativ kurz und vom Wetter her ziemlich trüb. Ständig war ich durchnässt auf dem Fahrrad, entweder wegen des Regens oder durch den Schweiß, der sich unter den Regenklamotten bildete. Entsprechend wenig Menschen waren unterwegs anzutreffen. Unter Leute kam ich wenigstens in der Hostel in Bratislava. Mit einer bunt gemischten Truppe (Deutschland, Frankreich, Oman) durchstreifte ich am Abend die Kneipen dieser sehr gemütlichen, aber dennoch jugendlich wirkenden, Stadt.
So
25
Aug
2013
Und damit wäre dann auch das Kapitel Böhmen und Mähren beendet, besser bekannt als "Tschechien". Beschauliches Radfahren bot das Elbetal. Überall entlang des Flusses warteten Angler auf dicke Fische an ihrer Angel. Die ersten Wadenbeißer in Form von Hügeln erwarteten mich, als ich die Elbe verließ und Richtung Südosten nach Brünn einbog. Aber das herrliche Wetter und die idyllischen Zustände in Böhmen entschädigten mich dafür. Böhmen bietet nämlich ein weit verzweigtes System aus Nebenstraßen, so dass man nicht über die verkehrbelasteten Hauptrouten herumkriechen muss. So konnte ich die böhmische Idylle auf dem Land genießen: Die sprichwörtlichen böhmischen Kleindörfer mit ihren verputzten bunten Kirchen, die goldgelben Kornfelder, die in voller Reife standen und gerade von den mächtigen Mähdreschern abgeerntet wurden sowie die vielen Obstbäume, die die Wege säumten und schließlich Sonnenblumenfelder, soweit das Auge reichte (wobei die Sonneblumen ihre Blütezeit schon hinter sich hatten).
Mit der Idylle war es dann freilich vorbei, als ich in Mähren in Brünn eintraf. Ausgerechnet der "schlimmste Feind" des Radfahrers hatte sich in Horden in der Stadt eingefunden: Nämlich die motorisierten Zweiradfahrer, also die Motorradfahrer. „Schuld“ war der anstehende Motorrad-Grand-Prix, der hier stattfand. Das Resultat waren überhöhte Hostelpreise und Horden von bierseligen angelsächsischen Bikern. Zugegeben, die meisten waren ja ganz nett. Außerdem bieten die Jungs zuweilen hohen Unterhaltungswert, wenn auch unfreiwillig. Da waren zum Beispiel der Schotte und der Australier, die am Samstag Morgen unbedingt früh aufstehen wollten, um rechtzeitig zum Qualifying an der Rennstrecke einzutreffen. Am Abend zuvor wollten sie sich lediglich auf ein paar Bierchen beschränken. Das Endergebnis kann man sich denken: Aus den „few beers“ wurde eine Kneipentour bis um 5 und die Jungs verpennten bis zum Mittag. Die teure Tageskarte war damit natürlich im Eimer.
Wie schon beim letzten Grenzübergang hat wieder Regen eingesetzt. Sei's drum, hab ja passende Klamotten dabei.
Mo
19
Aug
2013
Entspannte erste Tage waren es in „Deutsche Lande“. Während Berlin den erwarteten sommerlichen Trubel mit sich brachte, glichen die Tage in Brandenburg einer Fahrt durch ein deutsches Outback. Sogar Störche ließen sich zwischendurch am Straßenrand blicken. Tja, im Osten Deutschlands hat die bedrohte Tierwelt noch was zu melden, denn sonst tut's ja kaum ein Mensch weit und breit. Leider bestätigen die Wahlplakate ein weiteres Ostklischee: Wahlplakate von rechtsradikalen Parteien hängen überall herum wie die Kakerlaken an den Wänden.
Echt was bieten zu hat Sachsen: Dresden mit seinen Kulturschätzen spricht sicherlich für sich, aber auch landschaftlich können beispielsweise das Elbetal oder die Sächsische Schweiz mit so Einigem aufwarten. Und die Sachsen mit ihrem „Moschendroahtzaun“-Dialekt („Ey öh, müsst Dü güücken!“) muss man einfach gern haben! Da es ließ sich gut für mich verkraften, dass ich dort mehrere Tage festsaß, da ich auf einige Postsendungen warten musste.